Wertschätzung / Selbstwert
Wertschätzung steht ganz oben auf der Liste bei Umfrageergebnissen, in denen Mitarbeiter befragt wurden, was sie sich von ihrem Arbeitsumfeld erwarten – und was sie gerade nicht in ausreichendem Maße bekommen.
Wenn ich im Beratungskontext nachfrage, was mit Wertschätzung gemeint ist, höre ich oft: Lob oder Anerkennung für die geleistete Arbeit oder auch mehr Respekt. Klar, wer freut sich nicht über ein Lob.
Warum freuen wir uns eigentlich über ein Lob? Lob, so scheint es, hebt ober bestätigt mir auf den ersten Blick mein Selbstwert. So sind wohl die meisten von uns erzogen worden. Wenn man brav im Sinne der Eltern war, bekam man ein Lob – wenn nicht, gab es vielleicht nicht so nette Worte oder Vater oder Mutter gaben sich traurig, weil man sich irgendwie falsch verhalten hat – so die Rückmeldung der Eltern.
Irgendwann passen sich die meisten Kinder an, und akzeptieren, dass die Eltern oder andere erwachsene Bezugspersonen, wissen, was gut oder schlecht für sie ist. Ich will ja auch nicht, dass Mutter oder Vater sich schlecht fühlen oder zornig werden, wenn ich aus ihrer Sicht was falsch machen. Meine Bedürfnisse stehen da hinten an.
Und wir lernen, daß wir ein Bedürfnis nach Lob (oder auch Liebe) haben, wenn wir etwas getan haben, daß wir ein Bedürfnis nach Anerkennung haben, wenn wir etwas getan haben oder daß wir ein Bedürfniss nach Wertschätzung haben, wenn wir etwas getan haben. Nur sind das keine Bedürfnisse, sondern Strategien weil wir konkret was von jemand direkt oder indirekt einfordern.
Und so wollen wir auch als Erwachsene auch oft noch Bestätigung von Aussen, weil wir das so kennen. Unser Selbstwert ist dann abhängig von der Beurteilung durch andere. Und wir werten uns auch selber ab – durch Glaubenssätze, mit denen wir uns identifizieren wie „und ich Idiot habe wieder mal nachgegeben“ „aus mir wird eh nichts“ „ich kann nicht lernen“ und so weiter.
Ganz oft beschimpfen wir uns auch spontan, wenn irgendwas schief geht. Ich hab mich neulich beim Wechsel einer Rasierklinge in den Finger geschnitten. Sofort war meine Reaktion eine Beschimpfung meiner selbst. Ich glaube, es war Idiot oder schlimmeres. Hört sich auch nicht sehr wertschätzend an. Ich hätte ja auch angenehmer mit mir umgehen können. Hast du Dich schlimm verletzt? Die Wunde versorgen wir jetzt erstmal. Was kannst Du machen, dass das beim nächsten Mal nicht mehr so schnell passiert.
Sie sehen, mit der eigenen Wertschätzung ist es oft auch nicht weit her. Dann fordere ich das doch lieber von anderen ein. Oder doch nicht?
Oft geht es ja bei dem Thema Wertschätzung um grundlegende Bedürfnisse wie den eigenen Selbstwert, Selbstwirksamkeit, Zugehörigkeit oder auch die eigene Sinnfindung bwz. – suche. Da hilft es erstmal zu sich zu schauen, was mir gerade wichtig ist und welche Möglichkeiten ich habe, das umzusetzen. Wenn ich meinen Selbstwert vom Lob und der Bestätigung anderer Leute abhängig mache, bin ich letztendlich ohnmächtig – ohne Macht – weil andere Macht über mich haben. Klar ist es schön, wenn ich eine Bestätigung bekomme, dass ich z.B. in der Firma einen wichtigen Beitrag leiste. Und das möglichst konkret. Das geht aber über ein schnödes Lob oder ein unverbindliches Dankeschön oft schon hinaus. Da wird konkret mein Beitrag gewürdigt, ohne mich vielleicht manipulieren zu wollen. Das müssen nicht immer viele Worte sein.
Zu mir hat mal ein Vorgesetzter nach drei Monate nach Arbeitsbeginn gesagt: Herr Schneider, Sie haben mir den Arsch gerettet. Da war auch nicht mehr viel weiter zu sagen, weil wir beide wussten, um was es ging und was ich für ihn gemacht hatte. Da war auch kein Hintergedanke bei, weil der Vorgesetzte nur noch einen Monat in der Firma gearbeitet hat.
Im Arbeitsumfeld ist wichtiger als jedes Lob oder jedes mechanische Dankeschön, dass es einen Rahmen für die Grundbedürfnisse von Mitarbeitern gibt. Das hat viel mit der Unternehmenskultur zu tun und da im speziellen, welches Menschen- und welches Weltbild gelebt wird. Damit meine nicht die schön auformulierte Unternehmenskultur für den Internetauftritt, sondern die vielen unausgesprochenen Annahmen und Glaubenssätze, die eine Unternehmenskultur wirklich ausmachen.
Es sollte gewürdigt werden, dass alle Mitarbeiter selbständige Menschen sind, die sich selbstwirksam und handlungsfähig erleben wollen und auch eine eigene Sinngebung haben. Tja, wenn das immer so einfach wäre. Dazu gehört z.b. auch die Erkenntnis, dass sich nicht alle Mitarbeiter auf der gleichen Entwicklungsebene bewegen und deshalb manchmal auch überfordert sind. Z.b. wenn es auf einmal um Selbstorganisation oder agile Teams geht.
Dazu gehört auch, dass Führungskräfte sich bewusst sind, was bei ihnen die Auslöser für bestimmte Reaktionsmuster sind. Oft werden bestimmte Mitglieder eines Teams als unbequem angesehen – vielleicht weil sie immer alles in Frage stellen oder weil sie nicht teamfähig zu sein scheinen. Die Erkenntnis ist oft, dass es nicht unbedingt besser wird, wenn diese Teammitglieder das Team verlassen. Führungskräfte sollten deshalb wie gesagt in der Lage sein, ihr Verhalten, ihre Motivation, ihr Menschenbild, ihr Weltbild selbst zu reflektieren.
Ich glaube, das ist wirkliche wertschätzendes Verhalten: Die Haltung, dass andere Menschen genauso autonom und selbständig sind, wie ich selber. Und das im Sinne der gewaltfreien Kommunikation ich selber die Verantwortung für meine Gefühle habe, ob ich ich sie nun als gut oder schlecht empfinde.
Dann noch ein Wort zum Schluß, weil ich gerade gewaltfreie Kommunikation erwähnt habe. Gewaltfreie Kommunikation ist eine exzellente Methode, um sich selbst klarer über die eigene Motivation und seine Haltung zu werden. Gewaltfreie Kommunikation sollte jedoch nicht als Vier-Schritte-Sprache zu (vermeintlichen) Verbesserung der Kommunikation genutzt werden. Das wirkt nur gestelzt und wenn ich der Ansicht bin, ich kann Menschen dazu bringen, so zu handeln, wie ich das vielleicht für richtig erachte, ändert daran auch eine Vier-Schritte-Sprache nichts.
Marshall Rosenberg hat oft selbst darauf hingewiesen, das Gewaltfreie Kommunikation nicht die Vier-Schritte sind, er die im eigenen Leben kaum benutzt und dass es für ihn um die Entwicklung der eigenen Haltung zu sich und anderen geht, wobei die Betonung auf und lag.
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Dialog und Sinn Coaching, Mentoring und Mediation